Berlin – Zahlenmäßig sind Frauen unterlegen – zumindest beim Gehalt und beim Anteil weiblicher Führungskräfte. Auch in der Arbeitswelt gibt es Sexismus, also Benachteiligung aufgrund des Geschlechts.

Fakt ist: In den Vorständen börsennotierter Unternehmen sind Frauen in Deutschland noch immer unterrepräsentiert. Das zeigt eine Studie der Beratungsgesellschaft EY. Und nach dem Gleichstellungsbericht des Weltwirtschaftsforums (WEF) hat sich die ökonomische Kluft zwischen den Geschlechtern zuletzt sogar wieder weiter geöffnet. Die Experten gehen davon aus, dass es – rein theoretisch – noch 170 Jahre dauern wird, bis Männer und Frauen ökonomisch gleichgestellt sind.

Dafür gibt es viele Gründe. Wenn es um den Job geht, treten vor allem Frauen kürzer, sobald es um das Thema Kinder geht – und nehmen so schon früh in ihrer Karriere Einbußen hin, die sie später am beruflichen Fortkommen hindern können. Daten des Statistischen Bundesamts zeigen, dass Frauen nach der Geburt eher Abstriche beim Thema Karriere machen als Männer – viel mehr Mütter als Väter entscheiden sich dann für Teilzeit. So arbeiten nur 27 Prozent der Frauen mit einem Kind unter sechs Jahren in Vollzeit, aber 94 Prozent der Männer.

Die Gründe dafür mögen vielfältig sein – etwa ein traditionelles Rollenverständnis. Viele Frauen möchten gern mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen. Eine Studie des Bundesfamilienministeriums zeigt allerdings, dass finanzielle Gründe ebenfalls häufig die Ursache sind – viele Frauen verdienen weniger als Männer, Gender Pay Gap nennt sich das.

In Deutschland bekommen Frauen im Schnitt 21 Prozent weniger Gehalt als Männer. Das lässt sich zum Beispiel auf die unterschiedliche Berufs- oder Studienwahl zurückführen. Aber auch bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation beträgt die sogenannte bereinigte Lohnlücke noch sieben Prozent. Sie zeigt, dass es im Berufsleben immer noch zu einer Ungleichbehandlung zwischen Frauen und Männern kommt.

Ein weiteres Problem ist Belästigung am Arbeitsplatz. «Es gibt ganz eindeutig sexuelle Belästigung in unserer Gesellschaft», sagt die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), Christine Lüders. Einer ADS-Studie zufolge hat jeder Zweite im Job schon einmal sexuelle Belästigung erfahren – Frauen und Männer sind betroffen. Beide erleben am häufigsten Belästigungen durch Männer – Frauen werden im Vergleich zu Männern allerdings häufiger durch Kollegen oder Vorgesetzte einer höheren Hierarchiestufe sexuell belästigt.

Schädlich sei, dass Kritiker das Thema häufig verspotteten. «Es ist eine Methode, das Thema Sexismus ins Lächerliche zu ziehen, sich darüber lustig zu machen – etwa durch Begriffe wie «Genderwahn».» Nicht selten heißt es: «Hab dich nicht so» oder «War das jetzt wirklich so schlimm?», wenn es um Sexismus geht. Und wer will schon als vermeintliche Spaßbremse dastehen. «Am schlimmsten ist es, wenn das Opfer noch zum Schuldigen gemacht wird – so nach dem Motto: Dann zieh dir halt was anderes an», sagt Lüders.

Fernab von Zahlen und theoretischen Debatten versuchte der Autor Christian Seidel zu erfahren, wie es sich als Frau lebt. Er ist für ein Jahr in die Rolle einer Frau geschlüpft. Durch dieses Experiment hat er viel Kontakt zu Frauen bekommen, die mit Diskriminierung am Arbeitsplatz zu kämpfen haben. Er urteilt: «Die Berufswelt ist eine Männerwelt.»

Sexismus sei dabei nicht immer etwas Bewusstes, es sei viel mehr ein «tief verwurzeltes Problem unserer Gesellschaft». Im Berufsalltag haben Frauen dabei ganz praktische Probleme, die zur Karrierebremse werden können: Netzwerken nach der Arbeit mit dem Chef etwa ist schwierig – da ist immer die Angst, dass ihr eine Affäre nachgesagt wird. Und so mancher Männerclub bleibt gern unter sich.

Fotocredits: Jan-Philipp Strobel
(dpa)

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