Berlin – Lehrer sind vielerorts Mangelware. Betroffen sind vor allem Grundschulen und bestimmte Fächer an weiterführenden Schulen, aber auch Berufsschulen.

Dafür gibt es gleich mehrere Gründe, sagt Heinz Peter Meidinger, Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands – darunter der unterschätzte Geburtenanstieg und der steigende Zuzug von Familien mit Migrationshintergrund. Und mit der Not der Schulbehörden steigt auch die Zahl der Quer- und Seiteneinsteiger.

Neu ist es zwar nicht, dass auch andere Berufstätige zu Lehrern werden. Doch noch nie waren es so viele wie derzeit. Das hat gute und schlechte Seiten und ist – wie alles, was die Schulen anbetrifft – Ländersache. Daher ist es auch kaum möglich zu sagen, wie der späte Eintritt in den Schuldienst deutschlandweit aussieht: Jedes Bundesland hat sein eigenes Prozedere und seine eigenen Empfehlungen.

Die
Kultusministerkonferenz (KMK) hat 2012 lediglich einen knappen Beschluss verfasst, nach dem die Länder die Möglichkeit haben, jede mögliche Notmaßnahmen gegen den Pädagogenmangel zu ergreifen. Die Nachqualifizierungen sollten sich an «grundständigen Standards orientieren», hieß es: Die Bewerber sollen so qualifiziert werden, dass sie später nicht mehr von studierten Lehrern zu unterscheiden sind.

Allerdings gebe es teils dramatische Unterschiede zwischen den Bundesländern, was Angebote und Anforderungen für Seiteneinsteiger anbelangt, sagt Dirk Zorn. Er ist Teamleiter Bildung bei der Bertelsmann-Stiftung und einer der Autoren der Studie, die zu Beginn des Jahres auf den dramatischen Lehrermangel an Grundschulen bis 2025 hinwies: Rund 35 000 Lehrer werden demnach in sieben Jahren für die ersten Schuljahre fehlen. Besonders schlecht sieht es mit Lehrkräften im Osten aus – entsprechend viele werden dort gesucht.

Das hat Konsequenzen für die Qualifizierung der neuen Lehrer: «In manchen Schulen stehen die Seiteneinsteiger vom ersten Tag an vor einer Klasse, in anderen werden sie erstmal mehrere Monate lang intensiv geschult», sagt Meidinger. Mitbringen müssen die Neulehrer in der Regel einen Hochschulabschluss, das Fach ist allerdings oft egal. «In der Grundschule geht es ja hauptsächlich um den Verbund aus Deutsch, Mathe sowie Heimat- und Sachkunde.» Dadurch sei der Inhalt eines Fachstudiums sehr flexibel.

Wichtiger ist, dass die Neu-Lehrer Kinder mögen, Wissen weitergeben wollen und eine Portion Humor haben. «Menschen, die zu stark um sich selbst kreisen und wenig kommunikativ sind, werden Schwierigkeiten haben», sagt Meidinger. Manche Bundesländer setzen eine bestimmte Durchschnittsnote für den Einstieg fest, andere ein Höchstalter.

Und einen Unterschied zwischen Seiten- und Quereinsteigern gibt es auch, zumindest in den meisten Ländern. «Seiteneinsteiger müssen noch pädagogisch qualifiziert werden», erläutert Meidinger. Quereinsteiger dagegen sind meist solche, die zwar nicht für ein Lehramt studiert haben, aber dann noch ein reguläres Referendariat machen. Das ist nach Ansicht vieler Experten die beste Variante.

Der Umstieg kann für Quer- und Seiteneinsteiger durchaus lukrativ sein. «Natürlich wird in der Zeit der Lehrernot auch mit Beamtenstellen gelockt», sagt Meidinger. Eine Ausnahme ist Berlin, dort werden Lehrer nicht mehr verbeamtet. Die Arbeitszeiten und die Ferien taugen allerdings weniger als Anreiz: «Wer Lehrer für einen Halbtagsjob hält, täuscht sich gewaltig.» Ein gutes Zeitmanagement ist sogar Grundvoraussetzung, um Arbeitsspitzen beispielsweise in der Zeugnisphase aufzufangen.

Wer es einmal in den Beamtenapparat geschafft hat, kann dort eine ganz normale Karriere hinlegen und als Quereinsteiger sogar Schulleiter oder Seminarlehrer werden. Sollte sich der Mangel in einigen Jahren wieder umkehren, sind die Beamten zudem in ihren Jobs sicher. Ein Zurück in den alten Beruf gibt es theoretisch auch – allerdings ist das selten und mit größeren Schwierigkeiten verbunden. Wichtig, da sind sich die Experten einig, ist überall die gute Durchmischung eines Kollegiums. «Dann kann man den einen oder anderen Seiteneinsteiger auch gut integrieren.»

Fotocredits: Julian Stratenschulte,Kai Uwe Oesterhelweg,Stefan Kuhn
(dpa/tmn)

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