Sexuelle Belästigung im Job erfordert Konsequenzen 22. November 2017 Ratgeber Frankfurt – Ein schlüpfriger Witz, eine zotige Bemerkung, eine unerwünschte Berührung: Die Missbrauchsvorwürfe gegen den Hollywood-Mogul Harvey Weinstein in den USA haben auch in Deutschland wieder eine Debatte über sexuelle Belästigung im Job ausgelöst. «Wie in wahrscheinlich jeder großen Firma gab und gibt es sexuelle Belästigung in diesen beiden Unternehmen», sagte Bettina Volkens, Lufthansa-Vorstandsmitglied und frühere Bahn-Personalchefin jüngst dem «Spiegel». Da war zum Beispiel der Flugbegleiter, der einer Kollegin ein anzügliches Bild von sich auf dem Smartphone zeigte und sie bis vor die Hotelzimmer verfolgte. «Das wurde dem disziplinarischen Vorgesetzten gemeldet und hatte entsprechende Konsequenzen zur Folge», berichtet Volkens. Jeder zweite Beschäftigte in Deutschland hat einer Umfrage zufolge schon selbst sexuelle Belästigung im Job erlebt. Fast jede fünfte Frau ist schon einmal gegen ihren Willen von Kollegen berührt worden. Auch zwölf Prozent der Männer berichteten bei der jüngsten, repräsentativen Befragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2015 von unerwünschter körperlicher Annäherung. Als sexuelle Belästigung gelten aber auch anzügliche Bemerkungen oder das Zeigen von Nacktbildern. Frauen berichteten häufiger von physischen Belästigungen, Männer eher über verbale Attacken wie E-Mails sexuellen Inhalts oder zweideutige Bemerkungen. Nur ein Fünftel der Befragten wusste allerdings, dass ihr Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet ist, sie vor Belästigung zu schützen. Seit einer Gesetzesverschärfung 2016 sind zudem alle sexuellen Handlungen gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person strafbar. Eva Voß vom Prüfungs-und Beratungsunternehmen EY geht davon aus, dass nahezu jedes Unternehmen in Deutschland inzwischen Antidiskriminierungsbeauftragte oder eine Art Leitfaden zum Umgang mit sexueller Belästigung und anderen Formen der Diskriminierung hat. «Im Alltag hat sich aber noch zu wenig getan». Juristische Spielregeln seien wichtig. «Genauso wichtig ist aber, dass sich das Bewusstsein für den Umgang miteinander ändert.» Hier sieht Voß vor allem die Führungskräfte gefordert. Manche seien allerdings verunsichert. «Darf man keine Witze mehr machen, muss die Tür bei Zweiergesprächen geöffnet bleiben?», werde häufig gefragt. Aus ihrer Sicht ist das der falsche Ansatz. «Wir brauchen eine Führungskultur, die Menschen – egal welchen Alters, Geschlechts oder Hautfarbe – auf Augenhöhe begegnet». Barbara Lutz, Geschäftsführerin des Frauen-Karriere-Index, hält wenig von Empfehlungen, wie zum Beispiel, dass Frauen und Männer nicht zu zweit im Aufzug fahren sollten. «Das ist im Alltag nicht praktikabel und ändert nichts an dem grundsätzlichen Problem.» Bei einer nicht repräsentativen Umfrage unter 131 Unternehmen gaben 24 Prozent an, dass bei ihnen einmal jährlich oder häufiger eine Beschwerde über sexuelle Belästigung bekannt werde. In jeder fünften befragten Firma musste schon ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin wegen sexueller Belästigung gehen. «Die Reaktion der Unternehmen ist ein starkes Signal», sagte Studienautorin Lutz. Lutz zufolge beschäftigen sich die Führungskräfte allerdings noch zu wenig mit dem Thema. «Bei Beschwerden über sexuelle Belästigung verweisen sie häufig auf den Ombudsmann des Unternehmens. Manche Vorstandschefs wissen nicht einmal, wie häufig das Thema in ihrem Unternehmen vorkommt». Wo sexuelle Belästigung anfängt, ist allerdings nicht immer ganz eindeutig. Personalerin Katharina Heuer spricht von «Grauschattierungen». «Bei einer Abendveranstaltung in entspannter Atmosphäre nimmt jemand einen Kollegen oder eine Kollegin kameradschaftlich in den Arm. Die andere Seite kann sich dadurch jedoch belästigt fühlen», berichtet die Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Gesellschaft für Personalführung. «Gerade bei einer eindeutigen sexuellen Belästigung muss die Chefetage unmissverständlich klar machen, dass man das nicht billigt und konsequent handelt. Jeder Fall ist einer zu viel» Fotocredits: Britta Pedersen (dpa) (dpa)