Berlin (dpa/sa) – Alle reden über die Digitalisierung. Doch was heißt das im Beruf, Alltag oder in der Freizeit? Neue Geschäftsmodelle und Ideen gibt es viele – ob automatische Fehlersuche wie beim Auto via Tablet oder gar ein Holzkohlegrill, der sich mit dem Smartphone steuern lässt.

Apps gibt es wie Sand am Meer, kostenlos oder als profitables Geschäftsmodell. Doch selbst junge Firmengründer bekommen mitunter graue Haare, wenn sie an die Zukunft denken. Denn: Es fehlt an ausreichenden Informationen für Schulabgänger über neue Berufe, die mit der Digitalisierung entstehen. «Das ist noch zu wenig bekannt», räumt Raimund Becker, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit (BA), ein. Es müsse mehr und eher in den Schulen erklärt und dafür geworben werden, welche Möglichkeiten und Karrierechancen eine Ausbildung im Zuge der Digitalisierung bietet.

So sei ein Kfz-Mechaniker heute und in der Zukunft viel mehr mit komplizierter Technik konfrontiert als noch vor Jahren. Dennoch spielten klassische Berufsbilder wie im Handwerk nach wie vor eine große Rolle, moderne Technik mache aber auch dort nicht Halt.

«Es geht nicht nur darum, bestimmt Dinge zu automatisieren, sondern zu vernetzen», erklärt Mathias Dögel in Dölbau/Kabelsketal bei Halle. Die Komplexität mache die Digitalisierung aus. Vor 13 Jahren hat er seine IT- und Softwarefirma
Dögel GmbH gegründet. Heute zählen rund 70 Mitarbeiter und Partner im Ausland dazu, sagt er als Geschäftsführer. Der Umsatz betrug nach Firmenangaben 2017 rund 2,9 Millionen Euro (2016: 2 Millionen Euro). Firmen und Vereine nutzen die Leistungen. Eine von der Firma entwickelte Internetplattform rund um das Thema Hundesport werde weltweit genutzt, von etwa 250 000 Usern in 22 Sprachen.

BA-Vorstand Becker lässt sich in der Mittagspause auf dem Firmengelände zeigen, wie neue Technik beim Grillen eingesetzt werden kann – per Smartphone wird zum Beispiel die Temperatur zwischen 150 und 550 Grad und die Garzeit des Grillguts bestimmt. Eine Wanne mit Holzkohleglut fährt dabei über Sensoren gesteuert hoch und runter.

Im Zeitalter der Digitalisierung entstehen nicht allein neue Produkte, Apps für alles Mögliche, sondern neue Jobs, «die meine Mutti noch nicht kannte», sagt Stephan Bayer. 2008 hat er die Firma
sofatutor GmbH (Berlin) gegründet, eine Online-Plattform mit Lernvideos als Nachhilfe für Schüler und Studenten. Heute hat die Firma nach seinen Angaben rund 100 Mitarbeiter.

Was fehle, seien Azubis. «Man kann im Zeitalter der Digitalisierung auch mit jemandem arbeiten, der nicht IT studiert hat», sagt Bayer, der zur Berliner Gründerszene
«Tech in the City» gehört. Diese habe es sich zum Ziel gesetzt, durch Vernetzung und Information mehr Talenten die Tech-Branche näherzubringen.

Nach Angaben eines Sprechers der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit gibt es durchaus Interessenten für IT-Berufe. So haben sich seit Oktober 2017 zum Beispiel rund 200 Bewerber in Sachsen-Anhalt um einen Ausbildungsplatz für Softwareentwicklung und Programmierung gemeldet, es wurden jedoch nur knapp 50 Stellen den Arbeitsagenturen angeboten. «Unternehmen der IT-Branche suchen allerdings auch auf anderen Wegen, etwa über das Internet, selbst nach Berufsnachwuchs», berichtet er.

Dennoch seien IT-Spezialisten wie Programmierer angesichts der Digitalisierung, die nahezu alle Lebensbereiche erfassen wird, auch in Zukunft sehr gefragt. Unternehmen und Verwaltungen suchten den Angaben zufolge im Schnitt 2017 etwa 115 Tage, ehe sie eine Stelle mit einer IT-Fachkraft in Sachsen-Anhalt besetzen konnten.

Zum Vergleich: Über alle Berufe gesehen, dauerte es 99 Tage, bis eine passende Stelle für den jeweiligen Bewerber in Sachsen-Anhalt gefunden wurde. «Die Digitalisierung führt aber auch dazu, dass sich die Anforderungen an klassische Berufe immer mehr verändern, etwa in der Autobranche oder auf dem Bau», sagt der Sprecher. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten IT-Fachleute in Sachsen-Anhalt stieg indes zwischen Juni 2013 und Juni 2017 von 6550 auf rund 7750 und damit um 18,3 Prozent. Die Zahl der Beschäftigten insgesamt stieg in dem Zeitraum um 3,4 Prozent.

Fotocredits: Hendrik Schmidt

(dpa)