In Gera trainieren Computersportler am Bildschirm 12. Juni 2018 Ratgeber Gera – Ein Raum voller Computer, jeder mit Bildschirmen, Tastatur, Maus und Kopfhörer mit Mikrofon ausgestattet – so sieht vermutlich das Paradies für Online-Spieler aus. Tatsächlich geht es in den Räumen im ElsterCube in Gera um Sport, genauer gesagt um eSport: Professionelles Computerspielen – und eine gleichzeitige Anäherung an einen möglichen späteren Berufsweg. «Das ist das Prinzip, das wir unter «Dual Gaming» verstehen», sagt Markus Bonk. Er ist Marketing-Spezialist beim noch jungen Unternehmen Ad Hoc Gaming, das ein solches Konzept deutschlandweit erstmals ausprobiert. Fünf Spieler, ein Trainer, ein Experte für die sozialen Medien leben und arbeiten in Gera zusammen. Ihr Tag ist zweigeteilt: Eine Hälfte verbringen sie mit dem Training beim Computerspiel «League of Legends», die andere mit dem Kennenlernen von kaufmännischen Berufen im Energiesektor, etwa für die Abrechnung, den Support oder auch das Marketing. Ali Nasserzadeh ist der Trainer der Truppe. Ihm obliegt es, Matches mit anderen Teams zu organisieren, diese anschließend zu analysieren, die Strategie der eigenen wie der gegnerischen Mannschaft zu beurteilen. «Es war schon lange mein Traum, im Bereich eSport zu arbeiten», berichtet er. Der 24-Jährige kommt aus der IT-Branche, hat bei einer Schweizer Großbank gearbeitet – und selbst auf hohem Niveau «League of Legends» gespielt. Nun beobachtet er, wie sich sein Team im Spiel schlägt. Doch er ist auch dafür verantwortlich, zu erkennen, wenn sich zum Beispiel gesundheitliche Probleme bemerkbar machen, die durch die Körperhaltung am Computer entstehen könnten. «Körperlich fit müssen die Spieler sein, die Fitness gehört zur geistigen Frische dazu.» Und so kommt den jungen Spielern zugute, dass es im ElsterCube auch ein Fitnessstudio gibt. Noch ist das Projekt relativ bescheiden angelegt, doch Markus Bonk denkt schon in die Zukunft. «Wir wollen hier in Gera ein Leistungszentrum etablieren», sagt er selbstbewusst. Ein eSport-Internat für bis zu 60 Sportler schwebt ihm vor, das – wenn es einmal so weit sein sollte, dass die eSportler olympisch werden – zum deutschlandweiten Olympiastützpunkt ausgebaut werden könnte. Um den zweiten Aspekt des «Dualen Gamings» auszubauen, setzt er auf die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft der Region, die Ausbildungsplätze anbieten könnte. Noch können die jungen Sportler im ElsterCube keinen etwa durch die Industrie- und Handelskammer zertifizierten Abschluss machen. Doch auch das soll in Zukunft möglich sein. Nikloc Stüber ist von dem Ansatz jedenfalls überzeugt. «Das ist das beste und zukunftsträchtigste Angebot, das ich kenne», sagt der 20-Jährige Berliner. Er hätte auch bei anderen Teams anheuern können, doch die Zweispurigkeit des Thüringer Ansatzes hat ihn überzeugt. Schließlich werde eSport irgendwann so populär werden, wie er es derzeit schon in China oder Südkorea ist, wo die eSportler wie Popstars gefeiert und auch bezahlt werden. «Dieses Berufskonzept ist beispielhaft für die wichtigen Impulse, die eSport für die berufliche Qualifizierung von jungen Menschen liefern kann», ist sich Hans Jagnow, Präsident des eSport-Bundes Deutschland (ESBD) sicher. Die konkrete Verknüpfung zwischen Profi-eSport und beruflicher Orientierung in Gera ist seinen Angaben zufolge bisher einzigartig in Deutschland. «Der Einstieg in die eSport-Karriere als Profi-Spieler beginnt oft sehr früh – dafür zu sorgen, dass nach eSport die weitere berufliche Entwicklung der Athleten auf sicheren Füßen steht, ist außerordentlich wichtig», unterstreicht Jagnow. Gleichzeitig sei es gut zu sehen, wie der Computersport in das regionale Wirtschaftsleben eingebettet werden könne. Was den Gamern in Gera derzeit noch fehlt, ist die Anerkennung durch den Landessportbund Thüringen. Die aber ist Voraussetzung dafür, was Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zugesagt hat: Er werde die eSport-Szene in Thüringen unterstützen, wenn der Sportbund und die Gamer zur Zusammenarbeit zum Beispiel im Nachwuchs- und Breitensport bereit seien. Fotocredits: Christoph Soeder (dpa) (dpa)