Dresden – Es ist keine Erfolgsgeschichte, die Gründer Richard Friedrich erzählt. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Mit einem Mikrofon steht der 26-Jährige auf der Bühne des Dresdner Parkhotels – und berichtet vor knapp 200 Zuschauern von seinem früheren Online-Gewürzhandel.

Oregano, Chili und Pfeffer vom Erzeuger an die Verbraucher zu bringen, war die Idee. Gemeinsam mit Freunden brachte
Friedrich das Projekt im März 2013 auf den Weg – im vorigen Sommer stieg er aus.

«Wir waren zu leichtsinnig, haben über dem operativen Geschäft die Basics vergessen», sagt der junge Mann aus Flöha bei Chemnitz. Vereinbarungen, etwa über Firmenanteile, wurden nur mündlich getroffen. Einen Gesellschaftervertrag gab es nicht. Friedrich überwarf sich mit einigen Mitstreitern, dann hörte er auf. «Nach drei Jahren Arbeit stand ich mit leeren Händen da.»

Bei der «
Fuck Up Night» geht es nicht um wirtschaftliche Erfolge. Es geht um Pleiten, Pannen und Versagen – und was man daraus lernen kann. Die weltweite Bewegung, die mittlerweile auch in Sachsens Großstädten angekommen ist, stammt aus Mexiko. Dort entstand sie 2012 im Umfeld der Start-up-Szene, wo junge Gründer Abende veranstalteten, um öffentlich über ihr «Fuck Up» (etwa: Scheitern, Mist bauen) zu berichten. Denn aus Niederlagen lerne man mehr als aus Erfolgen, heißt es dort. Mittlerweile gibt es die «Fuck Up Night» in mehr als 100 Ländern
weltweit.

Gerade am Anfang sei das Scheitern meist mit Scham verbunden. Es brauche Mut, sich auf die Bühne zu stellen und offen darüber zu reden. «Wer gescheitert ist, fällt meist erstmal in ein Loch», sagt Frost, der schon mehr als 400 Unternehmensgründungen begleitet hat. Dann aber ist es für viele eine Erleichterung, darüber zu sprechen. Auch in Leipzig und Chemnitz berichten Gründer regelmäßig über ihre Niederlagen.

An diesem Abend in Dresden steht auch Inga Höltmann auf der Bühne. Die freie Journalistin aus Berlin hat mit einigen Kolleginnen vor gut drei Jahren ein Online-Magazin gegründet. Im vergangenen Jahr haben sie das Projekt wieder beendet. Heute erinnert ein kleiner Zettel über dem Schreibtisch Höltmann an die Zeit, darauf steht: «Fail harder!» (Scheitere härter). «Ich glaube, dass Scheitern bis heute mit einem Makel belegt ist», sagt Höltmann. Es habe viel mit einem alten Führungsverständnis zu tun – und einer mangelnden Fehlerkultur in vielen Unternehmen. «Wenn ich mich nicht traue, Fehler zu machen, bleibe ich aber stehen.»

Mario Geißler forscht seit vielen Jahren zu Start-Ups, an der TU Chemnitz ist er Juniorprofessor für Entrepreneurship in Gründung und Nachfolge. Schaue man sich internationale Studien an, so Geißler, werde deutlich: «In Deutschland ist die Angst zu scheitern und Fehler zu machen, noch immer recht hoch.» Viele junge Gründer strebten nach Perfektion – und wollten eine Idee oder ein Produkt erst fertig entwickeln, bevor sie es anböten. «Dabei sollten wir viel früher auch die Markttauglichkeit des Produktes testen und Feedback früher Kunden, die innovationsfreudig sind, aufnehmen.» Ein Ansatz, der etwa in den USA viel stärker gelebt werde.

Oft kontern klassische Unternehmer heute noch mit Sprüchen wie «Über ungelegte Eier spricht man nicht.» Zugleich zeichnet sich nach Einschätzung Geißlers aber ein Sinneswandel bei jungen Studenten ab: Sie haben immer öfter erfolgreiche Start-Ups als Vorbild im Kopf und kennen TV-Sendungen wie «Die Höhle des Löwen». Das Format, bei dem sich Gründer mit ihrer Idee vor Investoren präsentieren, trage den «Start-Up-Spirit» in die Breite, so Geißler. In Sachsen sieht der Juniorprofessor viel Potenzial für innovative Gründungen. «Mit einem Kopf an Kopf Rennen von Dresden und Leipzig.»

Auch Richard Friedrich hat aus seinem Scheitern gelernt. Ein Unternehmen müsse man mit den richtigen Leuten aufziehen, zum Beispiel. Zudem gehe er heute pragmatischer vor. Sein Motto sei nun: Es muss nicht alles perfekt sein, Hauptsache, erst einmal anfangen. Mit einem Freund hat er in Flöha einen neuen Online-Shop, «Direkt vom Feld», gegründet. Er reist durch die Welt, besucht Bauern und Erzeuger. Beliefert werden Kunden in ganz Deutschland. Die Idee an sich funktioniert, davon ist er überzeugt. «Immer mehr Menschen wollen wissen, wo ihre Lebensmittel herkommen.» Nur die Umsetzung, die will Friedrich diesmal besser machen.

Fotocredits: Sebastian Kahnert
(dpa)

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