Darf ich Ihnen meine Karte geben? 15. August 2019 Ratgeber Berlin – Kommunikation im Job läuft heute ganz anders als noch vor wenigen Jahrzehnten. So mag es etwas verstaubt wirken, wenn der Geschäftspartner eine gedruckte Visitenkarte zückt. «Darf ich Ihnen meine Karte geben»? Die Kärtchen werden nach wie vor im Arbeitsleben ausgetauscht – die Digitalisierung hat sie nicht abgeschafft. Wird das so bleiben? Lars-Peter Leu setzt auf Visitenkarten. Er hat sich mit der kleinen Berliner Werkstatt «Volle Kante» darauf spezialisiert. Mit alten Maschinen und Messingplatten produziert er Kärtchen zum Beispiel mit Prägungen und Folienschnitt – dabei wird Folie an den Kanten aufgetragen. Schwarze Visitenkarten schimmern an den Rändern zum Beispiel silbern oder golden. Die Nachfrage steigt Die Nachfrage sei steigend und zugleich auch die Zahl der Mitbewerber, sagt der 35-Jährige. Viele seiner Firmenkunden kämen aus der Kosmetikindustrie. Aber auch ein Gas- und Wasserinstallateur, der Luxusbäder anbietet, sowie Grafikagenturen und Architekten seien darunter. «Die Visitenkarte ist ein Aushängeschild», sagt er. Dafür seien Firmen bereit, auch etwas mehr zu zahlen. Wie viele Visitenkarten in Deutschland jährlich gedruckt und vertrieben werden, ist unklar. Der Bundesverband Druck und Medien teilt mit: «Die Menge der in Deutschland gedruckten Visitenkarten lässt sich nicht bestimmen.» Neben Geschäften wie dem von Leu gibt es auch Druckereien und im Internet hat sich ein breiter Markt an Online-Druckereien etabliert, die auch Visitenkarten anbieten. Von der Online-Druckerei Vistaprint heißt es, die Nachfrage nach gedruckten Visitenkarten steige – insbesondere im Premium-Segment. «Das heißt, unsere Kunden legen zunehmend Wert auf hochwertige oder außergewöhnliche Papiersorten, Veredelungen oder neue Formate. Dabei steigt sowohl die Anzahl an gedruckten Visitenkarten als auch die Anzahl der Druckaufträge, was dafür spricht, dass unsere Kunden ihre Visitenkarten häufiger aktualisieren oder verändern», sagt der Marketingleiter für Deutschland, Georg Treugut. Visitenkarten seien in Deutschland die größte Produktkategorie vor Flyern, Postkarten und Werbebannern. Wer nutzt sie? Visitenkarten-Kunden seien vorrangig Kleinunternehmen, Selbstständige und Start-up-Firmen. Der Sprecher der Agentur für Arbeit in Nürnberg, Mathias Ringler, beobachtet, dass viele Unternehmen die Karten nach wie vor einsetzen. «Man möchte damit der Geste der Kontaktaufnahme Nachdruck verleihen.» Bei den Inhalten hat sich zugleich einiges gewandelt. Firmen drucken auf die Karten etwa QR-Codes. Diese können mit einem Smartphone gescannt werden und führen dann zum Beispiel zu Internetseiten. Fragt man bei Firmen an, ergibt sich ein unterschiedliches Bild. Beim Softwarekonzern Microsoft läuft es so: «Mit Bezug der neuen Microsoft Deutschlandzentrale in München-Schwabing haben wir uns dort für ein papierloses Office-Konzept entschieden», sagt Niederlassungsleiterin Anna Kopp. «Daher haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Microsoft die Möglichkeit, sich über ein Online-Tool Visitenkarten zu bestellen, jedoch werden sie nicht mehr automatisch damit ausgestattet.» Beim Softwareanbieter SAP heißt es, dass die Bedeutung von gedruckten Visitenkarten in den vergangenen Jahren abgenommen habe und weiter abnehmen werde. Beim Energiekonzern RWE ist der Gebrauch individuell geregelt. Mitarbeiter, die viel im Ausland unterwegs seien, brauchen nach Unternehmensangaben gedruckte Visitenkarten, um auf die jeweiligen Gepflogenheiten im anderen Land eingehen zu können. Andere Mitarbeiter bräuchten keine mehr. Ähnlich ist es beim Versandhändler Otto. Während Mitarbeiter im Einkauf, die international unterwegs seien, Visitenkarten bräuchten, nutzten viele Mitarbeiter im Bereich Technik hingegen gar keine mehr, teilt das Unternehmen mit. Sie setzen demnach eher auf digitale Business-Netzwerke. Etwas Besonderes Der Trend- und Zukunftsforscher Tristan Horx vom Think Tank Zukunftsinstitut bemerkt, dass es in der Kreativ- und der Beratungswirtschaft in Deutschland, der Schweiz und Österreich eine Zeit lang «uncool» gewesen sei, Visitenkarten zu verteilen. «Nach dem Motto: «Du findest mich schon online».» In jüngerer Zeit sei die Visitenkarte aber wieder im Kommen. «Die Visitenkarte lebt davon, dass man sie eher weniger Leuten gibt. Und dafür ist sie dann was Besonderes.» Die Deutsche-Knigge-Gesellschaft hält die gedruckte Visitenkarte immer noch für ein Muss in der Arbeitswelt. «Die Visitenkarte ist, wenn sie gut gemacht ist, eine handliche Zusammenfassung zu Ihrer Person und Ihrer Position. Kein anderes Medium kann diese Informationen im persönlichen Kontakt so schnell verfügbar machen wie diese Karte», betont die stellvertretende Vorsitzende Linda Kaiser. Fotocredits: Britta Pedersen,Britta Pedersen,Britta Pedersen,Britta Pedersen,Britta Pedersen,Britta Pedersen (dpa) (dpa)