Warum die Unternehmenskultur wichtig ist 4. Mai 2020 Ratgeber Ludwigshafen/Witten – Wer neu in eine Firma kommt, dem stellen sich zu Beginn viele Fragen: Wie trete ich auf? Was ziehe ich an? Wie finde ich meinen Platz? Die schlechte Nachricht: «Wie bei einem Eisberg ist nur ein kleiner Teil der Unternehmenskultur auf den ersten Blick zu erfassen. Den Großteil bekommt man erst zu sehen, wenn man einige Zeit in einer Firma gearbeitet hat», sagt Prof. Stephan Weinert. Er beschäftigt sich an der Hochschule Ludwigshafen mit internationalem Personalmanagement. Die gute Nachricht ist jedoch: Diese Spitze des Eisbergs kann man schon recht gut vor dem ersten Arbeitstag sichten und die gewonnen Informationen für sich nutzen. «Wichtig ist, schon beim Bewerbungsgespräch Augen und Ohren offen zu halten», sagt Doris Brenner, Karrierecoach aus Rödermark bei Frankfurt (Main). Beim Vorstellungsgespräch zum Beobachter werden «Neben Sprache und Kleidung ist auch der Umgang der künftigen Kollegen untereinander interessant. Spielen die sich die Bälle zu oder verhalten sie sich eher reserviert? Wie gehen Chefs und Sekretäre miteinander um?» So lasse sich schon einiges zu den Hierarchien und dem Teamgeist in der Firma herausfinden – und damit auch zu der Frage, ob das Unternehmen überhaupt zu einem selbst passe. «Ein Bewerbungsgespräch ist immer beidseitig», sagt Weinert. «Als Arbeitnehmer sollten Sie Fragen stellen und testen, ob das Unternehmen zu Ihren Vorstellungen und Werten passt. Sonst kann es später zu Enttäuschungen kommen.» Schnuppertage vor dem Start im neuen Unternehmen Stimmt der erste Eindruck, können Arbeitnehmer die Zeit zwischen Vertragsabschluss und erstem Arbeitstag zusätzlich nutzen, um sich mit der Unternehmenskultur vertraut zu machen. Brenner rät: «Man kann zum Beispiel fragen, ob man schon für das Intranet freigeschaltet wird. In manchen Positionen bieten sich auch Schnuppertage an. So kann man beispielsweise schon an Meetings teilnehmen und die Kollegen kennenlernen.» Steht der erste Arbeitstag dann an, ist es ratsam lieber erst einmal zurückhaltend aufzutreten: «Natürlich sollte man nicht passiv sein, sondern neugierig. Jedoch ist davon abzuraten, sich direkt ins Getümmel zu stürzen, Position zu beziehen und sich dabei womöglich direkt Feinde zu machen», sagt sie. Anfangs mit eigenen Ideen zurückhalten Das rät auch Prof. Guido Möllering, Direktor und Lehrstuhlinhaber am Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung an der privaten Universität Witten/Herdecke. «Wenn man offen und umgänglich auftritt, ist das neue Team auch im Umkehrschluss offener, wenn man nach einiger Zeit seine eigenen Ideen einbringen möchte.» Gerade in den vergangenen zehn Jahren habe sich in dieser Hinsicht viel in der Arbeitswelt getan. «Unternehmen setzten heute auf diverse Teams mit vielen verschiedenen Meinungen und Perspektiven», erklärt er. Dadurch bekämen sie bei Problemen nämlich viele verschiedene Lösungswege präsentiert statt nur einen. Wertvoll seien oft auch Mitarbeiter, die einen bereits bestehenden Ansatz weitentwickeln. Gründerpersönlichkeiten beeinflussen Kultur stark Sowieso würden sich Persönlichkeiten und Unternehmenskulturen gegenseitig stark beeinflussen. «Vor allem Gründerpersönlichkeiten spielen eine große Rolle», sagt Weinert. Deren Werte würden nämlich auch noch lange nach ihrem Ausscheiden weiterleben. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass solche etablierten Unternehmenskulturen relativ unflexibel seien. «Wer andere Werte einbringen will, braucht die Belegschaft auf seiner Seite. Dafür müssen Veränderungen nicht nur gemeinsam besprochen und transparent weiterkommuniziert werden, sondern von der Führungsebene vorgelebt.» In der Realität können erklärte und gelebte Werte oft weit auseinanderliegen. «Wenn ein Chef beispielsweise flache Hierarchien erklärt, aber gleichzeitig auf seinen Parkplatz direkt am Hauseingang besteht, dann kann das problematisch werden», sagt Möllering. Bei Werten ist Ehrlichkeit gefragt Selten würden Arbeitsbeziehungen an inhaltlichen Diskrepanzen scheitern, erklärt auch Brenner. Wissen und Fähigkeiten seien im Vorfeld oft gut abzuklären oder im Anschluss durch Schulungen nachzuholen. «Woran es häufiger liegt, ist, dass Bewerber oder Firmen nicht ehrlich sind, wenn es um ihre eigenen Werte geht.» Häufiger Personalwechsel könne ein Indiz dafür sein. Wer als Bewerber also von Anfang an seine Werte ehrlich definiert und kritisch prüft, ob diese bei einem potenziellen Arbeitgeber erfüllt werden, kann das Risiko minimieren, nach den ersten Tagen im Job schnell enttäuscht zu werden. Fotocredits: Christin Klose,Christin Klose,Uta Mosler,Kay Gropp (dpa/tmn) (dpa)