Wie viele Emotionen sind im Job erlaubt? 20. April 2020 Ratgeber Berlin – Wut, Trauer oder Freude sind Gefühle, die unseren Alltag begleiten. Im Privatleben gilt das als selbstverständlich, aber was ist im Beruf? Ist dort kein Platz für Emotionen? «Man muss abwägen», sagt Laura Leske. Als ihre letzte Beziehung in die Brüche ging, kamen ihr im Büro beim Gespräch mit der Chefin die Tränen. Eine unangenehme Situation – doch im Nachhinein sei sie froh, dass sie ihre Gefühle teilen konnte, erzählt die 34-Jährige, die als Finanzmitarbeiterin in einem Verband für kulturelle Bildung arbeitet. Auch sie habe ihrer Chefin schon mal getröstet, erzählt die Berlinerin. «Wir sind ein kleines Team mit einer familiären Atmosphäre.» Wenn man so eng zusammenarbeite, sei es gut zu wissen, wie es den Kolleginnen und Kollegen geht. Positive Gefühle sind gerne gesehen «Es kommt aber immer auf die Art der Gefühle und die Art der Beteiligten an», sagt die Wiener Psychologin und Psychotherapeutin Helga Kernstock-Redl. Grundsätzlich seien positive Gefühle, die mit Stärke assoziiert werden, gerne gesehen: Begeisterung, Freude, Durchhaltevermögen – oder Formen von konstruktivem Trotz. Nur selten werde ein «Zuviel des Guten», zum Beispiel überschäumende Begeisterung, als «kindisch» abgewertet. Schwieriger sei es mit Gefühlen, die mit Schwäche verbunden werden, Scham oder Schuld etwa. In einer wohlmeinenden Umgebung würden diese als Zeichen von Moral und Vertrauenswürdigkeit interpretiert. Aber von Missgünstigen könnten sie als Schwäche ausgelegt werden. Das gelte auch für Momente, in denen man sich ängstlich, traurig oder hilflos zeigt. «In einem halbwegs guten Arbeitsteam jedoch lösen solche Gefühle kollegiale Hilfsbereitschaft und Empathie aus», sagt die Psychologin. Außerdem könnten Tränen – ebenso wie andere Emotionen – eine spannungslösende Wirkung haben. Empathie gehört in vielen Berufen dazu Gefühle zu zeigen ist also nicht per se unprofessionell. Ein gewisses Maß an Empathie gehöre in vielen Berufen dazu, sagt Helga Kernstock-Redl. Sie erzählt von einer Kollegin in einem Kinderkrankenhaus, die in Tränen ausbrach, als ein junger Patient starb. Die Kollegin habe sich selbst darüber geärgert. «Doch ein paar Wochen später erzählten mir die Eltern, wie unglaublich tröstlich es für sie war, das zu erleben», so die Psychologin. Gefühle nicht unterdrücken Annette Auch-Schwelk, Coach und Rednerin mit dem Schwerpunkt Persönlichkeitsentwicklung und Stressbewältigung, rät, Gefühle nicht wegzudrücken. Starke Gefühle können auch ein Motor sein. «Zeiten, in denen man leicht ärgerlich wird, können signalisieren: Es ist Zeit, etwas zu verändern.» Die Trainerin empfiehlt zum Beispiel bei Wut, innerlich einen Schritt zurückzutreten und sich zu fragen: Wer oder was macht mich wütend? Warum gebe ich einer bestimmten Person so viel Macht über mich, dass ich mich aufrege? Beim Nachdenken über Situationen, in denen man wütend wird, ergeben sich häufig Muster. Daraus könne man lernen. Auf keinen Fall sollte man Gefühle unbedacht an Kolleginnen oder Kollegen auslassen. «Denn was kann der andere dafür, wenn man die Wut seit Wochen anstaut?» Sie empfiehlt, sich körperliche und mentale Techniken zur Selbstkontrolle anzueignen. Helfen könne, sich bewusst anzulehnen, tief durchzuatmen, die Füße auf den Boden zu stellen und sich einfache Sätze zurechtzulegen – etwa: «Es geht vorbei.» Nicht für die eigenen Gefühle schämen Viele Führungskräfte hätten die Angewohnheit, keine Schuld- und Schamgefühle zuzulassen, beobachtet Helga Kernstock-Redl. Kurzfristig suggeriere das Stärke und Unverwundbarkeit – doch langfristig koste es Vertrauen, so die Autorin. Sie rät grundsätzlich dazu, Gefühlsausbrüche im Nachhinein anzusprechen und zu erklären. «Leider ist es häufig so, dass man sich für Gefühle schämt – und Scham will alles unter den Teppich kehren.» Konfliktlösung habe aber viel damit zu tun, wie man mit negativen Gefühlen umgeht. Literatur: Helga Kernstock-Redl: Schuldgefühle, Goldegg Verlag, 2020, 236 Seiten, 22 Euro, ISBN-13: 978-3990601549. Helga Kernstock-Redl, Pall Béa: Gefühlsmanagement, Ökotopia, 2015, 143 Seiten, ca. 23 Euro, ISBN-13: 978-3-86702-347-4. Annette Auch-Schwelk: Wut und Ärger: Gut umgehen mit starken Gefühlen, Haufe Lexware Verlag, 2018, 128 Seiten, 9,95 Euro, ISBN-13: 978-3-648-13344-6 Fotocredits: Christin Klose,Markus Fenchel,deinshooting.at,Christin Klose (dpa/tmn) (dpa)