Hamburg – Wenn zum ersten Mal die Gefängnistür hinter einem zufällt, kann das ein komisches Gefühl sein. So ging es jedenfalls René Müller, als er vor mehr als 25 Jahren seine Arbeitsstelle im Vollzug antrat.

«An das Gefühl habe ich mich aber schnell gewöhnt», erzählt Müller. Er ist Vorsitzender beim Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) und hat sein Berufsleben mit der Bewachung Gefangener verbracht.

«Mikrokosmos» Justizvollzugsanstalt

Beamte im Vollzugsdienst, Ärzte, Lehrer, Seelsorger, Psychologen oder Beschäftigte in der Verwaltung – im Gefängnis sind viele Berufsbilder vertreten. Jede Vollzugsanstalt ist eine eigene Welt, ein «Mikrokosmos» oder eine «Kleinstadt», wie Yvonne Radetzki es beschreibt. Die Juristin leitet die Justizvollzugsanstalt (JVA) Neumünster und ist zweite Vorsitzende in der Bundesvereinigung der Anstaltsleiterinnen und Anstaltsleiter im Justizvollzug.

In dieser Kleinstadt zu arbeiten, bringt einige Besonderheiten mit sich. «Der Vollzug ist ein geschlossenes System», sagt Psychologin Anne Giorelli. Als freie Mitarbeiterin des Psychologischen Dienstes der JVA Fuhlsbüttel in Hamburg begleitet sie Sicherungsverwahrte und Langzeitstrafgefangene therapeutisch. Ordnung und Sicherheit stünden dabei an oberster Stelle.

Mit positiver Grundeinstellung und hoher Frustrationstoleranz

Für die Arbeit im Gefängnis, so René Müller, müsse man ein «gehöriges Maß an Empathie» haben. Das bestätigt Yvonne Radetzki: «Man muss mit Menschen arbeiten wollen und offen für die Lebensgeschichten der Gefangenen sein.» Gleichzeitig brauche es Entscheidungsfreudigkeit und Verantwortungsbewusstsein, um schwierige Situationen meistern zu können.

Psychologin Anne Giorelli findet eine positive Grundeinstellung wichtig – und eine hohe Frustrationstoleranz. Für ihre Arbeit ist es entscheidend, «sich über die eigenen Möglichkeiten bewusst zu sein» und einschätzen zu können, was man in der Therapie mit den Gefangenen erreichen kann – und vor allem in welcher Zeit.

Mentale Reife ist wichtig

Die Beamten im Vollzug sind im täglichen Kontakt der erste Ansprechpartner für die Inhaftierten. Entsprechend wichtig sind die körperlichen und geistigen Voraussetzungen. «Die mentale Reife muss einfach da sein», erklärt Müller. Für Psychologen, Ärzte oder Juristen spielt es ebenso eine große Rolle, dass sie schon Erfahrung im Beruf und Fachwissen mitbringen.

Denn: Das Gefängnis ist ein Arbeitsplatz mit vielen Herausforderungen. Man müsse sich bewusst sein, dass «man mit einem schwierigen Klientel» zusammenarbeitet, sagt Müller. Justizvollzugsbeamte müssen sich zudem auf Schichtdienst, Arbeit am Wochenende und an Feiertagen einstellen.

Wer im Gefängnis arbeitet, ist täglich mit unterschiedlichen und immer neuen Problemen konfrontiert. «Das kann der Suizid von Gefangenen sein oder aber der Tod von Angehörigen der Inhaftierten», erzählt Radetzki. «Man muss lernen können, nach der Arbeit abzuschalten».

Abwechslungsreich trotz Zwangskontext

Für Giorellis Arbeit ist der Zwangskontext im Gefängnis herausfordernd: «Die Insassen sind nicht freiwillig da, sie haben keinen Schlüssel, den haben wir».

Das Positive an der Arbeit im Vollzug ist, da sind sich die Vertreter aller Berufe einig, dass sie unheimlich abwechslungsreich ist. «Man arbeitet mit Menschen aller Couleur zusammen, vom Eierdieb bis zum Schwerverbrecher», erzählt Müller. Langeweile kennt er nicht. Was für Müller und viele seiner Kollegen wichtig ist: einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. «Wir sorgen für Sicherheit und einen vernünftigen Umgang mit Untersuchungshaft- und Strafgefangenen.»

Fotocredits: Marius Becker,Photo Ruser GmbH,BSBD,Jens Wolf
(dpa/tmn)

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