Berlin/Köln – Mancher Arbeitnehmer träumt vielleicht von kostenloser Kinderbetreuung. Der nächste von mehr Freizeit, von besserer Altersvorsorge – oder von einem Pool im Büro. Klingt nach Wunschdenken? Nicht unbedingt.

Wo Fachkräftemangel herrscht, haben Bewerber durchaus gute Aussichten auf Zusatzleistungen. Da sind zum Beispiel Ausbildungsberufe wie Erzieher, Pflegekräfte, Maschinenbauer oder Handwerker, in denen offene Stellen oft lange leer bleiben. Während eine offene Stelle in der Regel nach 100 Tagen besetzt werden kann, suchen Arbeitgeber in der Altenpflege durchschnittlich 167 Tage nach einem neuen Mitarbeiter. Und im Bereich Klempnerei, Sanitär, Heizung und Klima dauert es rund 156 Tage, zeigt eine
Studie der Bundesagentur für Arbeit.

Für Bewerber ist das eine Chance: Einige Betriebe zahlen mehr als die branchenüblichen Gehälter und Tarife, um gute Fachkräfte zu gewinnen und an ihren Betrieb zu binden. Darauf weist der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hin. Manche Branchen haben deshalb auch die Vergütungen für Auszubildende erhöht – zum Beispiel der Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen. Dort sei die Bezahlung zwischen September 2011 und September 2017 um mehr als 40 Prozent in Westdeutschland und um fast 60 Prozent in Ostdeutschland gestiegen.

Noch deutlich wird der Wandel des Arbeitsmarkts durch den Fachkräftemangel, wenn es um die begehrtesten Akademiker geht: Manche Ingenieure, IT-Fachkräfte oder Naturwissenschaftler sind inzwischen so nachgefragt, dass sie sich Privilegien quasi aussuchen können.

Zeit ist dabei oft am begehrtesten – nicht Geld. Das zeigt eine Erhebung der Unternehmensberatung Kienbaum und der Zeitschrift «Capital», für die mehr als 1000 Unternehmen zu ihren Lock-Angeboten befragt wurden. Hoch im Kurs stehen zum Beispiel Arbeit von zu Hause aus oder Sabbaticals. Das bestätigt auch Maike Rademaker vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): «Viele Arbeitnehmer legen Wert auf eine gute Work-Life-Balance, das heißt vernünftige Arbeitszeiten, Chancen für ein Sabbatical oder auf gute Weiterbildung.»

Selbst Berufseinsteiger können davon profitieren. Das zeigt eine Online-Befragung von Kienbaum und dem Staufenbiel-Institut unter 297 Unternehmen. «Die fünf häufigsten Vorteile, die potenzielle Arbeitgeber Hochschulabsolventen anbieten, sind flexible Arbeitszeiten, betriebliche Altersvorsorge, Homeoffice, ein Firmen-Smartphone und ein erfolgsabhängiger Bonus», erklärt Thomas Friedenberger, Karriereberater beim Staufenbiel-Institut, die Ergebnisse der
Studie JobTrends 2017.

Nur wenige Arbeitgeber bieten solche Vorteile allerdings von sich aus an. Bewerber müssen konkret nachfragen – und zwar am besten nach dem Vorstellungsgespräch. Ist das erfolgreich und der Arbeitgeber interessiert, sollte man nie sofort zustimmen. «Sagen Sie zum Beispiel: Ich denke darüber nach», sagt Friedenberger.

Wie flexibel der Arbeitgeber bei den Verhandlungen ist, hat unter anderem damit zu tun, wie groß der Fachkräftemangel und damit die Not ist. Wer das bereits weiß und sich vielleicht sogar bei Mitarbeitern des Unternehmens informieren konnte, kann seine Verhandlungsstrategie entsprechend anpassen.

Bewerber sollten sich in Ruhe überlegen: Gefallen mir die Aufgaben im Job? Ist das Gehalt angemessen? Welche Argumente habe ich dafür, ein höheres Gehalt oder andere Leistungen zu bekommen? «Dann nimmt man den Telefonhörer in die Hand, ruft an und kann nachverhandeln», sagt Friedenberger. «Sie können beispielsweise sagen: «Das Gehalt scheint mir zu wenig, ich würde gerne so und so viel verdienen. Ich halte das für angemessen, weil…» Dann wird verhandelt und man trifft sich in der Mitte.»

Gibt es keinen Spielraum beim Gehalt, signalisiert das der Arbeitgeber in der Regel. An dieser Stelle können Bewerber andere nützliche Vorteile ansprechen. Statt mehr Geld gibt es vielleicht ein Jobticket, einen Firmenparkplatz oder eine Altersvorsorge. Je nach Branche können Fachkräfte auch Arbeitstage im eigenen Heim oder zusätzliche Urlaubstage ergattern. Viele Arbeitgeber passen sich an die Lebenssituation an – zum Beispiel in Sachen Kinderbetreuung.

«Generell sollte man niemals sofort auf das erste angebotene Gehalt eingehen. Nehmen Sie sich Zeit», so Karriereberater Friedenberger. «Später können sie immer noch Ja sagen, weil der Arbeitgeber sagt, dass es keine andere Möglichkeit gibt.»

Fotocredits: Christin Klose
(dpa/tmn)

(dpa)