Warum nett sein im Job oft hinderlich ist 15. Mai 2017 Ratgeber Hamburg – Wer nett zu Kollegen ist, muss nicht alleine Mittagessen, und in der Teeküche herrscht statt distanziertem Schweigen lockere Plauderei. Manchmal bringen Kollegen einem auch einen Kaffee oder mal was Süßes mit. Wer nett ist, springt auch ein, wenn es mal eng wird. Nett sein heißt, gemocht werden – auch im Job. Klingt super, ist es aber nicht unbedingt. Für die Karriere ist es oft eher hinderlich – und kann einem sogar schaden. Nett sein darf man nicht mit Freundlichkeit verwechseln: Ein höflicher Umgangston sollte im Job eine Selbstverständlichkeit sein, wie Karriereberaterin Ute Bölke aus Wiesbaden sagt. Mit nett sein ist gemeint, dass man ständig die Aufgaben übernimmt, die sonst keiner will. Oder auch, dass man auf ruppige Ansagen oder unberechtigt heftige Kritik so freundlich wie immer antwortet. Wer nett ist, wird oft als Ja-Sager wahrgenommen, warnt Anne Forster. Sie ist Karriereberaterin und Coach in Zürich. Wer nur macht, was er gesagt bekommt, ärgert sich oft und staut dadurch auf Dauer einiges an Frustration auf. Coach Kristine Qualen aus Hamburg sieht bei diesen sehr netten Menschen, die zu allem Ja sagen, deshalb vor allem die Gefahr eines Burn-outs. «Sie bekommen immer mehr Aufgaben oben drauf», erklärt die Diplom-Psychologin. Erschwerend kommt hinzu, dass die Ja-Sager in der Firma meist kein gutes Standing haben. Für ihre Mühe bekommen sie somit in der Regel keine Anerkennung: Die Aufgaben, die keiner will, sind meist solche, mit denen man zwar lange beschäftigt ist, sich aber nicht profilieren kann. «Man bleibt unsichtbar», erklärt Qualen. So bekommen die Netten immer mehr das Gefühl, ausgenutzt und mit Arbeit zugeschüttet zu werden. Es gibt einige Anzeichen, an denen Mitarbeiter merken, ob sie zu nett sind. «Man wird nicht nach seiner Meinung gefragt und bringt sie von selbst nicht ein», nennt Bölke als Beispiel. Und: «Weiterbildungen, Beförderungen und interessante Aufgaben laufen ohne einen.» Bloß was ist dann zu tun? Bei Entscheidungen ist es besser, sich etwas Bedenkzeit zu verschaffen, als reflexhaft Ja zu sagen. Laut Qualen kann man seinem Gegenüber dass so erklären: «Ich kann noch nicht direkt zusagen, ich möchte erst noch darüber nachdenken.» Oder man wagt es einfach mal und sagt Nein und widerspricht – das kann auch im Freundeskreis oder in der Familie sein. Das kann zum Beispiel heißen, dass man sich bei der Diskussion um Unternehmungen am Wochenende einbringt und die Vorschläge der anderen nicht einfach abnickt. Auch Bölke rät, erst mal in seinem privaten Umfeld anzufangen, mit dem Ja-sagen aufzuhören. Hilfreich sei zum Beispiel das Feedback von Freunden, ob man sich in dieser Hinsicht verändert habe. Außerdem kann man mit ihnen bestimmte Situationen aus dem Arbeitsleben besprechen und alternative Verhaltensstrategien entwickeln. Wichtig ist: Wer Nein sagt oder jemandem in einer Diskussion Paroli bietet, sollte das nüchtern und sachlich tun. «Wer immer nett war und sich dann vornimmt, es nicht mehr zu sein, rutscht schnell in ein trotziges oder beleidigendes Verhalten», sagt Qualen. Schraubt man seine Nettigkeit zurück und sagt Nein, sollte man das immer sachlich erklären können. Fotocredits: Karolin Krämer (dpa/tmn) (dpa)