Warum Tratsch im Job so verbreitet ist 20. März 2017 Ratgeber Lüneburg – Dem einen ist der Klatsch das Salz in der faden Kantinen-Suppe, dem anderen vergeht dabei der Appetit: Tratsch ist aus der Arbeitswelt kaum wegzudenken. «Hast Du schon gehört?» – so geht es meistens los. «Kollegin S ist schwanger – die streicht sich im Meeting ständig über den Bauch.» – «Und sag‘ es keinem weiter, aber: Kollege Y hat einen ganz schwierigen Sohn. Der steht jetzt vor Gericht wegen Vandalismus.» Keine Frage: Klatsch macht aus den langweiligsten Mitarbeitern schillernde Figuren einer Seifenoper. Doch wie wehrt man sich gegen Klatsch über die eigene Person? Und wie erfährt man überhaupt davon? Klatsch zu definieren, ist gar nicht so leicht: Wo endet er – und wo fängt das Gerücht oder sogar Mobbing an? «Klatsch ist unspezifischer als ein Gerücht», versucht sich Coach Regina Michalik mit einer Definition. Sie hat ein Buch zum Thema Intrigen geschrieben. Klatsch sei quasi eine Art Small-Talk, ein Gerücht richte sich dagegen gezielt gegen eine Person – und werde als Wahrheit verkauft. «Klatsch sind negative Informationen über das Privatleben einer Person, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind», ergänzt der Soziologe Christian Schuldt. Er hat eine Zeit lang für ein Boulevardmagazin geschrieben und dann später ein Buch zum Thema Klatsch veröffentlicht. Auch, wenn Führungskräfte ihn nicht gerne sehen, weil er Arbeitszeit frisst: Tratsch habe durchaus positive Funktionen, sagt Prof. Birgit Althans von der Leuphana Universität Lüneburg, die eine Kulturgeschichte des Klatsches veröffentlicht hat. Er helfe dabei, in stressigen Situationen Druck abzulassen und sich von eher langweiligen Routineaufgaben abzulenken. Und er schweiße die Klatschenden zusammen, ergänzt Autor Schuldt: «Er ist etwas Böses, das Gutes tut.» Wer gemeinsam über Dritte redet, fühle sich miteinander eng verbunden. Trotzdem ist auch klar: Die Grenze zwischen Klatsch und Mobbing ist schmal, eine rote Linie schnell überschritten. «Klatsch zeugt mitunter auch von einem geringen Selbstbewusstsein von demjenigen, der klatscht», erklärt die Psychologin Juliane Dreisbach. Er diene auch dazu, sich über andere zu erheben. Und für denjenigen, den er trifft, sei er alles andere als angenehm. Sich beim Thema Klatsch ganz herauszuhalten, ist jedoch häufig keine gute Idee. Man isoliere sich im Team, erklärt Autor Schuldt. In der Folge bekommen Berufstätige viele Informationen nicht mehr mit. Und sie würden auch selbst leichter zum Gegenstand von Klatsch. Wer als Berufseinsteiger neu in eine Firma kommt, sollte deswegen ruhig ein bisschen aus seinem Privatleben erzählen, rät Coach Michalik. Das verhindert von Anfang an, dass Gerüchte entstehen, weil es so wenig Informationen über einen gibt. Und was ist, wenn über einen selbst geredet wird? Wer gut integriert ist, über den wird in der Regel wenig geredet, sagt Schuldt. Und wer über ein enges Netzwerk verfügt, hat auch eher einen Freund, der einem Gerüchte über die eigene Person steckt. Erfährt man dann davon, gibt es unterschiedliche Reaktionsmöglichkeiten. In einigen Fällen mache es Sinn, das Gerücht zu ignorieren, sagt Coach Michalik. Trotzdem werde es immer Situationen geben, in denen man reagieren muss, weil das Gerücht einem sehr schadet. Das kann zum Beispiel sein, wenn über einen Kollegen gesagt wird, dass er zuviel trinkt. Hier helfe es im ersten Schritt zu überlegen: Wer profitiert davon, dass es dieses Gerücht gibt? Das helfe dabei, den Urheber des Gerüchts auszumachen. Dann kann man denjenigen direkt zur Rede stellen – oder man wendet sich direkt an den Vorgesetzten, wenn es ein sehr schädliches Gerücht ist. Am Ende ist es mit dem Klatsch im Arbeitsleben ein bisschen wie mit dem Salz in der Suppe. Ein bisschen davon lässt sie besser schmecken. Doch wer zu stark würzt, versalzt die Suppe. Literatur: Schuldt, Christian: Klatsch! – Vom Geschwätz im Dorf zum Gezwitscher im Netz, Suhrkamp-Verlag, 2009, 200 S., 18 Euro, ISBN-13: 978-3-458-17457-8 Michalik, Regina: Intrige: Machtspiele – wie sie funktionieren – wie man sie durchschaut – was man dagegen tun kann, Econ Verlag, 2011, 304 S., 18 Euro, ISBN-13: 978-3430200998 Fotocredits: Klaus-Dietmar Gabbert (dpa/tmn) (dpa)