Köln (dpa/tmn) – Jonathan P.* hatte von Kollegen gehört, dass es an der Hochschule Ideenklau gibt. Trotzdem hat es ihn kalt erwischt, als er selbst davon betroffen war. «Ich war entsetzt, als ich den Aufsatz des Professors in der Zeitschrift gesehen habe», erzählt er. «Das waren meine Ideen.»

Jonathan P. ist promovierter Geisteswissenschaftler. Vor zwei Jahren hat er an einem internationalen Workshop teilgenommen. Es gibt für die Workshops ein Oberthema, und Wissenschaftler bewerben sich mit einem Paper – also einem Aufsatz – zum Thema. Jonathan P. war in seinem Aufsatz aufgrund seiner empirischen Befunde zu einer Schlussfolgerung gekommen, die er mit einem Begriff prägte. «Den Begriff gab es so vorher nicht», erklärt er. Zwei Jahre nach dem Workshop stellte er fest: Ein anwesender Professor hatte sein Paper überarbeitet – und verwendete in einer Veröffentlichung Jonathan P.’s Schlussfolgerung und Begriffe, ohne auf ihn zu verweisen.

Ideenklau ist gerade in kreativen Berufen immer wieder ein Thema. Es geschieht auch in allen anderen Berufen. Da ist zum Beispiel der Kollege, der im Teammeeting die Idee eines anderen als seine ausgibt. Da ist der Chef, der die Idee des Praktikanten als seine an Kunden verkauft.

Doch was macht man in so einem Fall? Zum einen gibt es durchaus Möglichkeiten, rechtlich gegen Ideenklau vorzugehen. «Die Idee an sich ist zwar erst einmal frei», sagt Ole Jani, Rechtsanwalt und Experte für Urheberrecht. Das Recht kennt allerdings Möglichkeiten, Erfindungen zu schützen. Bei technischen Erfindungen berechtigt ein Patent in der Regel, für 20 Jahre die Nachahmung zu untersagen.

Außerdem gibt es das Urheberrecht, das «persönliche geistige Schöpfungen» schützt. Das kann zum Beispiel ein Buch, ein Bild oder ein Song sein. Ist die Idee urheberrechtlich geschützt, muss der Beklaute dann aber immer noch nachweisen, dass er geistige Schöpfung zuerst hatte. Und das ist häufig schwer.

Eine Möglichkeit ist, die eigene geistige Schöpfung beim Notar zu hinterlegen, erklärt Rechtsanwalt Jani. Im Fall eines Romans könnte man zum Beispiel dort das Dokument hinterlegen. Auf diese Weise lässt sich anhand des Datums der Hinterlegung nachweisen, ab wann das Werk in der Welt war. Kann der Inhaber des geistigen Eigentums den Beweis antreten, dass er die Idee zuerst hatte, kann er im Fall von Ideenklau auf Unterlassung klagen – und gegebenenfalls sogar Schadenersatz verlangen, wenn jemand anderes seine geistige Schöpfung benutzt oder sich zu Unrecht als deren Autor ausgibt.

Doch kaum jemand wird mit dem Anwalt drohen wollen, wenn der Kollege im Meeting plötzlich die eigene Idee als seine verkauft. Karriereberater Thorsten Knobbe rät in dem Fall, den Ideendieb sofort in die Schranken zu weisen. «Ich würde sofort zum Angriff übergehen und denjenigen zur Rede stellen», erklärt er. Zeigt das Gegenüber sich nicht einsichtig, empfiehlt er, zum Mentor oder sogar zum Chef zu gehen. Dieses Vorgehen kommt aber natürlich an seine Grenzen, wenn der Mentor oder der Chef selbst der Ideendieb ist.

So ähnlich ist es bei Jonathan P.: Den Professor zu kontaktieren, ist für ihn keine Option. Er glaubt nicht, dass das etwas bringt. Doch er will auch nicht einfach schweigen. «In der Wissenschaft ist es wichtig, zu zeigen, dass man zu einer Debatte beigetragen hat», sagt er. Ihm bleibt eine weitere Möglichkeit: Es gibt an fast allen Hochschulen einen Ombudsmann, an den sich Wissenschaftler bei wissenschaftlichem Fehlverhalten auf Wunsch anonym wenden können. Er kann auch zwischen den Parteien schlichten.

Neben den Ombudsleuten an den Hochschulen ist außerdem bei der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) der Ombudsmann für die Wissenschaft angesiedelt, den Forscher hochschulübergreifend kontaktieren können. «An den Ombudsmann für die Wissenschaft kann man sich auch anonym nur mit einer E-Mail wenden, wenn man erst einmal eine Einschätzung haben will», sagt Prof. Stephan Rixen, Sprecher des Gremiums.

Jonathan P. hat sich in seinem Fall für einen dritten Weg entschieden. Er hat sich an die Macher der Zeitschrift gewandt, die den Aufsatz des Professors publiziert haben. Das sind dieselben Menschen, die auch den internationalen Workshop organisiert haben. Er fordert, dass zumindest die Online-Version der Zeitschrift korrigiert und er im Aufsatz des Professors korrekt zitiert wird. Außerdem wünscht er sich eine Stellungnahme des Professors. Jetzt wartet er auf eine Antwort von den Zeitschrift-Machern.

Fotocredits: Franziska Gabbert

(dpa)